Der Verband Deutscher Treasurer (VDT e.V.) erstellt dieses Positionspapier, um den Begriff und die Funktion des Corporate Treasury (nachfolgend mit „Treasury“ bezeichnet) zu definieren.

Eine solche Definition ist nach Ansicht des VDT als führender nationaler Fachverband für das Unternehmenstreasury erforderlich, um ein klares, eindeutiges und berufsspezifisches Bild des Bereichs Treasury im Unternehmen mit den jeweils zugeordneten Aufgaben zu schaffen. Außerdem dient sie der Abgrenzung zu anderen Unternehmensbereichen, insbesondere dem Rechnungswesen und dem Controlling. Die Begriffsbestimmung ist ausdrücklich nicht auf eine bestimmte Unternehmensgröße oder eine spezielle Branche ausgerichtet. Sie soll allen Interessierten einen Einblick in die Treasury-Aufgaben geben.

 

Treasury kann über die Aufgabenstellung (Funktion), die Tätigkeiten oder die Aufbauorganisation definiert werden. Der VDT bevorzugt eine funktionale Definition, weil die Funktion im Gegensatz zu den Tätigkeiten und der Aufbauorganisation unabhängig von Unternehmensgröße, Geschäftsart und individuellen Organisationsbesonderheiten der einzelnen Unternehmen ist. Der VDT orientiert sich dabei an der Unternehmenspraxis in Deutschland und Europa.

 

Verband Deutscher Treasurer e.V.
Ressort Berufsbild & Qualifizierung

 

 

Betriebliche Einordnung der Treasury-Funktion

 

Die Treasury-Funktion im Unternehmen ist zunächst in die verschiedenen betrieblichen Funktionen einzuordnen. Unternehmen sind grundsätzlich durch die Beschaffung, die Erstellung und den Verkauf von Gütern und/oder Dienstleistungen charakterisiert. Sie stellen daher in erster Linie auf die betrieblichen Grundfunktionen Investition, Personal und Einkauf für den Input, die Produktion und Materialwirtschaft für die Erstellung und Marketing bzw. Absatz für den Verkauf/Output von Gütern und Dienstleistungen ab. Die durch diese betrieblichen Grundfunktionen erzeugten Erträge/Aufwendungen, Kosten/Erlöse und Einzahlungen/Auszahlungen werden in den Bereichen Rechnungswesen, Controlling und Treasury abgebildet. An der Spitze der betrieblichen Funktionen steht die Unternehmensführung/das Management mit den Schwerpunkten Zielsetzung, Strategie und Steuerung.

 

Das Treasury versorgt alle Unternehmensbereiche mit Liquidität. Daher sind die übrigen, auch die operativen Bereiche ohne eine funktionierende Treasury-Funktion nicht handlungsfähig. Grundsätzlich stellt sich die Treasury-Funktion damit gleichberechtigt neben die anderen kaufmännischen (im Wesentlichen Rechnungswesen, Controlling, Recht und Steuern) und sonstigen Bereiche.

 

Abbildung Treasury-Funktion
Abbildung 1 Treasury-Funktion

 

Zentrale Treasury-Aufgabe

 

Das Treasury gehört zu den originären Kernaufgaben der Unternehmensführung. Es unterstützt die Geschäftsführung bzw. den Vorstand durch Informationen über die finanziellen Rahmenbedingungen und deren Gestaltungsmöglichkeiten bei der Entwicklung und Umsetzung der Unternehmensstrategie. Das Treasury entwickelt eine zur Unternehmensstrategie passende Finanzierungsstrategie. Im Fokus der operativen Tätigkeit des Treasury stehen die Finanzierung der betrieblichen Wertschöpfungskette und die Sicherstellung der heutigen und zukünftigen Zahlungsfähigkeit in jeder erforderlichen Währung. Das Treasury steuert und verantwortet zudem die finanziellen Risiken des Unternehmens.

 

Kernfunktionen des Treasury

 

Aus dem zentralen Treasury-Ziel der jederzeitigen Liquiditätssicherung ergeben sich unabhängig von Branche, Geschäftsart und Größe für alle Wirtschaftssubjekte drei Kernfunktionen:

• Cash & Liquidity Management
Finanzierung & Financial Asset Management
Financial Risk Management

 

Cash & Liquidity Management

 

Das Cash & Liquidity Management stellt sicher, dass dem Unternehmen zur jederzeitigen Erfüllung finanzieller Verpflichtungen ausreichend Liquidität in der jeweils notwendigen Währung zur Verfügung steht. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind im Cash & Liquidity Management verschiedene Aufgabenbereiche umzusetzen (siehe Abbildung), die nachfolgend näher beschrieben werden.

 

Zahlungsverkehr Cash Management Definiton Treasury
Zahlungsverkehr Cash Management Definiton Treasury

 

Über die Bankenpolitik definiert ein Unternehmen den Kreis der Banken, von dem es konzernweit Bankdienstleistungen beziehen möchte. Bei kleineren Unternehmen kann es ausreichend sein, für die Zahlungsverkehrsfunktion eine Single-Bank-Lösung zu etablieren. Größere Unternehmen wählen regelmäßig Multi-Bank-Lösungen, wobei oft das Ziel verfolgt wird, möglichst wenige Kernbanken zu nutzen. Lokale Vorschriften bspw. für Steuer- und/ oder Gehaltszahlungen bedingen regelmäßig, dass im Zahlungsverkehr auch eine Zusammenarbeit mit lokalen Banken für die regionale Abdeckung in bestimmten Ländern erforderlich wird. Bei der Auswahl der Banken für das Cash & Liquidity Management sind gleichzeitig auch die Anforderungen an die Unternehmensfinanzierung einzuschließen, denn diese Banken agieren regelmäßig als kreditgebende Banken (vgl. hierzu auch das Kapitel „Finanzierung & Financial Asset Management“).

 

In den Aufgabenbereich Bankkontenmanagement fällt die Führung von externen Zahlungsverkehrskonten (Bankkonten) und – falls vorhanden – internen Zahlungsverkehrskonten (Finanzverrechnungskonten), die eine Abwicklung der Zahlungsströme eines Unternehmens gewährleisten.[1] Aufgaben sind im Einzelnen:

  • Eröffnung, Führung und Schließung von Bankkonten in unterschiedlichen Währungen
  • Pflege der Bankstammdaten, inklusive Vollmachten und Legitimationen (KYC-Prozess)
  • Abstimmung der Zahlungsformate für die jeweiligen Bankkonten mit den Banken
  • Auswahl/Einführung/Nutzung von Electronic Banking und/oder Treasury Management Systemen

 

Die konzernweiten Berechtigungen zur Eröffnung und Schließung von Bankkonten sollten vom zentralen Treasury vorgegeben werden und sind inklusive aller vergebenen Kontenvollmachten sorgfältig zu dokumentieren und ggf. in einer Richtlinie festzuhalten.

 

In den Aufgabenbereich Cash Management fällt die Steuerung der Zahlungsströme und Liquiditätsmittel. Aufgaben sind im Einzelnen:

 

Die konzernweiten Berechtigungen zur Eröffnung und Schließung von Bankkonten sollten vom zentralen Treasury vorgegeben werden und sind inklusive aller vergebenen Kontenvollmachten sorgfältig zu dokumentieren und ggf. in einer Richtlinie festzuhalten.

 

In den Aufgabenbereich Cash Management fällt die Steuerung der Zahlungsströme und Liquiditätsmittel. Aufgaben sind im Einzelnen:

  • Disposition aller Bankkonten, inklusive der Bankkonten in fremder Währung
  • kurzfristige Anlage und Aufnahme von Geldern
  • Veranlassung und Genehmigung von Ein- und Auszahlungen
  • Veranlassung von Fremdwährungskäufen und -verkäufen
  • Sammlung und Erstellung von Informationen über erhaltene oder geleistete Zahlungen
  • Überprüfung der Zahlungen (Soll-Ist-Abgleich, Plan-Plan-Abgleich)
  • kurzfristige Finanzierung von Tochtergesellschaften und Tätigkeit als Inhouse-Bank
  • Einrichtung von Cash Pooling
  • konzerninterne Steuerung der Zahlungsströme und Zahlungsmittelbestände über Verrechnungskonten (sofern genutzt)

 

Soweit vorhanden zählen auch die Abwicklung des dokumentären Zahlungsverkehrs sowie die Ausstellung und Rücknahme von Avalen und Garantien zum Management der Zahlungsströme. Die dafür erforderlichen Kreditlinien werden durch die Finanzierungsaktivitäten oder durch die eigene Bonität des Unternehmens bereitgestellt.

 

Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich ist die Liquiditätsplanung. Die (rollierende) Liquiditätsplanung gibt einen Überblick über die zu erwartenden Ein- und Auszahlungen sowie die Liquiditätsbestände und -reserven innerhalb eines betrachteten Zeitraums in der Zukunft. Grundsätzlich wird hier zwischen einer Dispositions-/Liquiditätsvorschau (wenige Tage bis wenige Wochen), einer Liquiditätsplanung i.e.S. (wenige Wochen bis 12 Monate, in Ausnahmefällen bis 18 Monate) und einer Finanzplanung (mehrere Jahre) unterschieden. Eine funktionierende Liquiditätsplanung ist wichtig, um die richtigen Entscheidungen in den Bereichen Cash Management, Finanzierung und Risikomanagement zu treffen.

 

Die effiziente und (revisions-)sichere Abwicklung des Zahlungsverkehrs ist ebenso Aufgabe des Treasurers. Wesentliche Aufgaben im Bereich Zahlungsverkehr sind:

  • Schaffung eines effizienten Datenaustauschs mit der Bank und Implementierung der notwendigen Nachrichtenformate
  • Erstellung eines revisionskonformen Zahlungsverkehrsprozesses (inklusive Freigabe- und Kontrollmechanismen)
  • (tagtägliche) Ausführung der Zahlungsverkehrsinstruktionen auf Basis der Vorgaben des Cash Management und der Anforderungen des Unternehmens
  • Überwachung der Zahlungsströme im Hinblick auf Sanktionen, Geldwäscherichtlinien und weiteren rechtlichen Vorgaben in den jeweiligen Ländern
  • Vermeidung bzw. Abwehr interner und externer Betrugsangriffe (Fraud Prevention)
  • Abbildung notwendiger Liquiditätsströme und Steigerung der Kosteneffizienz auf Basis der verfügbaren Liquidität und der konzerninternen Verrechnungsmöglichkeiten von Forderungen und Verbindlichkeiten (Netting und/oder Clearing)

 

Eine mögliche Nutzung der im Konzern vorhandenen Liquidität und ein Abgleich von Forderungen zwischen den Konzerntöchtern stellen eine wesentliche Möglichkeit dar, das Volumen an externen Zahlungen zu reduzieren und entsprechend Kosten und Aufwand zu sparen. Das sogenannte Intercompany Netting bzw. Clearing ist somit ebenfalls ein Instrument des Zahlungsverkehrs und fällt bei Bedarf in den skizzierten Aufgabenbereich.

 

Eine besondere Form des Zahlungsverkehrs stellen Bezahlmethoden am sogenannten Point of Sale (POS) und im E-Commerce dar. Die Treasury-Funktion sollte bei der Gestaltung und Steuerung der Bezahlmethoden und Prozesse sowie bei der Auswahl und Steuerung entsprechender Anbieter verantwortlich eingebunden sein. Wesentliche Gründe sind:

  • Nutzung tiefgreifender Erfahrungen im Treasury in Bezug auf Regulatorik, KYC und den nationalen und internationalen Zahlungsverkehr
  • große Schnittmenge der Anbieter von Bezahlmethoden im E-Commerce oder am POS zu den etablierten Partnern einer Treasury-Funktion
  • Vermeidung von Vertragsrisiken, da mitunter Interdependenzen zu bestehenden (Kredit-)Verträgen zu analysieren sind, und zur Betrugsprävention
  • Gewährleistung einer sicheren, ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Abwicklung der Aufgabenbereiche im Cash- und Liquiditätsmanagement

 

Die Treasury-Funktion kann mit ihrer Erfahrung auch einen wichtigen Beitrag für den Vertrieb des Unternehmens und die Kundenbindung leisten. Denn die Bezahlmethode entscheidet heutzutage maßgeblich über den Kauf eines Produkts (Convenience-Faktor). So erwarten Kunden bspw. kontaktlose Bezahlmethoden (z.B. Apple Pay, Google Pay, Samsung Pay) am POS, Zahlungen über Payment Service Provider (PSP; z.B. Klarna, PayPal) im E-Commerce oder die Teilnahme an einem Loyalty-Programm.

 

Das Working Capital Management (WCM) befasst sich mit der Steuerung des Bestands von Vorräten, von Debitoren und von Kreditoren (Working Capital). Das Working Capital ist eine in verschiedenen Varianten berechnete Finanzkennzahl, die es unter Controlling-, Kreditrisiko- und Kreditvertragsaspekten zu steuern gilt.

 

Während der Warenbestand (das Inventory/der Vorrat) an sich eher zu den strategischen Größen aufgrund von Verkaufs-, Liefer- oder Produktionsfähigkeit zählt und durch das Management vorgegeben wird, haben die beiden anderen Bestandteile des Working Capital (Forderungen an Kunden und Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten) einen direkten Einfluss auf die Finanzierung und Liquidität eines Unternehmens. Zur Treasury-Funktion gehören die Beratung der jeweiligen Verantwortlichen unter finanziellen Aspekten und die Mitwirkung in einem funktionsübergreifenden Abstimmgremium, insbesondere in der Determinierung von Zahlungszielen und deren finanziellen Auswirkungen für die gebundene Liquidität im Unternehmen. Das Treasury muss entsprechende Instrumente zur Optimierung des Working Capital zur Verfügung stellen (Factoring, Supply Chain Finance). Die (aufbau- und ablauf-)organisatorische Einbindung des Themas erfolgt je nach Unternehmen unterschiedlich in den jeweiligen Fachabteilungen – aber muss in jedem Fall unter Einbindung des Treasury erfolgen.

 

Die Vermeidung von Schäden aus kriminellen Aktivitäten, insbesondere aus zunehmend professionellen externen Angriffen, erfordert gute Prozesse und Sorgfalt bei der Durchführung des Cash & Liquidity Management. Klare Organisationsstrukturen und eine Standardisierung erhöhen den Schutz vor externen Angriffen und sollten im Zusammenspiel mit einer definierten IT-Sicherheitsstrategie für alle Unternehmensgrößen vorgegeben werden. Unternehmen begegnen diesen Anforderungen auch mit der zunehmenden Zentralisierung und Automatisierung der Prozesse. Damit einhergehend werden der Einsatz einer Payment Factory und die Nutzung einer Inhouse-Bank durch das anfallende Volumen an Transaktionen auch für mittelgroße Unternehmen attraktiver.

 

Kein Unternehmen kommt ohne die Zahlungsverkehrsabwicklung aus. Liquiditätsplanung und -steuerung ist für jedes Unternehmen zur Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit von existenzieller Bedeutung. Der Umfang der Tätigkeit sowie die technische und personelle Ausstattung sind unternehmensspezifisch. Die Beschäftigung mehrerer Banken, vor allem von Banken im Ausland und die Existenz zahlreicher Bankkonten und aktiver Tochtergesellschaften im Ausland, insbesondere in Fremdwährungsräumen, könnten unter Arbeits-, Kosten- und Sicherheitsaspekten ein Indikator für die hauptamtliche Besetzung der Treasury-Funktion und die Nutzung fortgeschrittener IT-technischer Hilfsmittel sein.

 

Weitere Einzelheiten zu den Tätigkeiten und Prozessen im Cash Management enthalten die VDT-Veröffentlichungen zum Cash Management.

 

Finanzierung & Financial Asset Management

 

Finanzierung & Financial Asset Management befassen sich mit der langfristig ausgerichteten Beschaffung von Finanzmitteln sowie der Steuerung langfristiger Finanzanlagen.

 

Zur Funktion „Finanzierung & Financial Asset Management“ gehören im Bereich Finanzierung die Beschaffung und der Einsatz der verschiedenen Finanzierungsinstrumente sowie die langfristige Sicherung der Liquidität durch eine entsprechende Planung und Steuerung der Fälligkeiten von Finanzinstrumenten und die Vorhaltung finanzieller Reserven. Basis sind der aus den strategischen Entscheidungen der Geschäftsleitung abgeleitete Finanzbedarf und die anzustrebende Mindestbonität (Rating). Wichtigste Aufgaben in diesem Bereich sind die Entwicklung und Definition einer (langfristigen) Finanzstrategie des Unternehmens und deren operative Umsetzung und Überwachung. Die Finanzstrategie muss die dauerhafte Sicherstellung der erforderlichen Bar- und Avalliquidität unter Beachtung der infrage kommenden Instrumente in den für das Unternehmen erforderlichen Währungen beinhalten.

 

Im Rahmen einer Kernbankenstrategie wählt das Treasury die Finanzierungsbanken aus, mit denen das Unternehmen dauerhaft zusammenarbeiten möchte. Die Anzahl der Kernbanken richtet sich nach Art und Umfang der verteilbaren Bankgeschäfte (Cross-Selling-Potenzial der Bankpartner). Verteilungsschlüssel ist i.d.R. die Höhe der Kreditrisikoübernahme der jeweiligen Bank. Im Rahmen einer Transaktionsbankenstrategie wählt das Treasury die für das jeweilige Geschäft besten Anbieter aus. Eine Transaktionsbankenstrategie kommt für Unternehmen in Betracht, die weitgehend unabhängig vom klassischen Kreditmarkt operieren können. In jedem Fall muss die Diversifizierung der Finanzierungspartner, eine optimale Streuung möglichst stabiler Bankbeziehungen und aller sonstigen externen Dienstleister etc. gewährleistet sein. Gleiches gilt für die Auswahl der in Betracht kommenden und dann auszuwählenden Finanzierungsinstrumente.

 

Grundsätzlich umfasst die Finanzierungsfunktion die Beschäftigung mit allen Finanzierungs­instrumenten unabhängig vom Eigenkapital- oder Fremdkapitalcharakter oder der Fristigkeit. Das Treasury prüft hierbei in enger Abstimmung mit anderen Unternehmensbereichen, wie z.B. Steuern, Recht und Rechnungswesen, den Finanzierungsmix aus Eigen- und Fremdkapital und gibt dann eine Empfehlung ab. Zu Finanzierung gehören auch die Beschaffung von (unbaren) Avalkreditlinien und sowie von Kreditlinien für das dokumentäre Auslandsgeschäft (z.B. für Akkreditive).

 

Bei Finanzierungsinstrumenten ist vor allem an Konzeptionen, Verhandlungen und laufende Betreuung zu denken. Entscheidungen zum kurzfristigen Einsatz bzw. der Inanspruchnahme der Instrumente werden im Bereich Cash & Liquidity Management getroffen und umgesetzt.

Die Festlegung einer Finanzierungsstrategie beinhaltet z.B. die Entscheidung über die Nutzung oder auch Nicht-Nutzung bestimmter Finanzierungsinstrumente sowie die Festlegung von finanzierungsrelevanten Steuerungsgrößen (z.B. Net Debt/EBITDA oder Eigenkapitalquote). Sofern ein Instrument (z.B. Unternehmenskredit, Anleihe, Projektfinanzierung, Leasing, Factoring) eingesetzt werden soll, zählen auch die Auswahl der Finanzierungspartner sowie die Vertragsgestaltung (Laufzeit, Konditionen, Sicherheiten, Auflagen [Covenants]) unter Einbindung der rechtlichen und steuerlichen Beratung zu den Aufgaben des Bereichs Finanzierung, ebenso wie die Überwachung und Abwicklung der Verträge.

 

Zur Finanzierungsfunktion gehört auch die Kommunikation mit allen Investoren (Eigenkapital und Fremdkapital) und Gläubigern. Sofern im Unternehmen eine separate Investor-Relations-Funktion vorhanden ist, arbeiten Treasury und Investor Relations in Kapitalmarktfragen eng zusammen und treten bei Roadshows und Kapitalmarktkonferenzen häufig gemeinsam auf. In jedem Fall ist der Kontakt zu den Kapitalmarktadressen bei der Anbahnung der Geschäfte und der weiteren Betreuung, der kontinuierlichen Pflege und dem Ausbau dieser Kontakte zu Investoren/Kreditgebern eine elementare und originäre Aufgabe des Treasury. Im Rahmen der Kommunikation muss das Treasury nicht nur bonitätsrelevante Informationen übermitteln, sondern auch die unter der Bezeichnung ESG[2] zusammengefassten Nachhaltigkeitsinformationen, welche die verschiedenen Geldgeber für ihre Anlagen bzw. Investitionsentscheidungen benötigen.

 

Der Zukauf oder Verkauf von Gesellschaften oder Betrieben (Mergers & Acquisitions – M&A) gehört nicht zu den originären Treasury-Aufgaben. Das Treasury ist jedoch immer in die Financial Due Diligence einzubeziehen und begleitet oder führt hier ggf. die beauftragten Berater. Das Treasury muss zudem im Rahmen der Finanzierungsfunktion gewährleisten, dass die Finanzierung für die Transaktion sichergestellt ist, die mit M&A verbundenen Zahlungen abwickeln und Währungs- und Zinsrisiken absichern. Das Treasury ist bei Unternehmenskäufen für die Integration der Treasury-Funktion des gekauften Unternehmens verantwortlich, bei Unternehmensverkäufen für die Abspaltung bzw. Auslagerung der Treasury-Funktion des verkauften Unternehmens.

 

Die Bedeutung des Bereichs Finanzierung ist in den Unternehmen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Bei kleineren Unternehmen mit relativ geringem, wenig komplexem Finanzbedarf können einfache (möglichst langfristige) Kreditlinien und sporadische Investitionsdarlehen genügen. Größere und kapitalintensivere Unternehmen benötigen andere, komplexere Finanzierungsarten und -strukturen. Es gibt Unternehmen, die versuchen, z.B. aus Gründen der Unabhängigkeit von externen Geldgebern ohne Rücksicht auf eine betriebswirtschaftliche Optimierung der Finanzierungs- und Bilanzstruktur völlig ohne oder mit möglichst geringem Fremdkapital auszukommen. In anderen Unternehmen wird die Strategie verfolgt, Fremdkapital bis zum Maximum auszureizen und selbst das Eigenkapital auf Holdingebene fremdzufinanzieren. Das kommt z.B. häufig bei Private-Equity-Unternehmen oder bei Infrastrukturgesellschaften vor, deren Kapital bei Pensionsfonds platziert wird und die auf eine Optimierung der Eigenkapitalrendite ausgerichtet sind (bei Vernachlässigung bestimmter Refinanzierungsrisiken). Generell gilt: Je größer das Unternehmen und je höher sein Finanzbedarf ist und je professioneller der Finanzbedarf gemanagt werden soll, desto wichtiger ist die Finanzierungsfunktion des Treasury und desto breiter ist der erforderliche Einsatz von Finanzierungsinstrumenten. Insbesondere die Inanspruchnahme des Kapitalmarkts erfordert aus Kostengründen (Fixkosten der Transaktion für die Beteiligten) einen umfangreicheren Finanzbedarf und entsprechende Professionalität des Treasury. In Branchen mit einem hohen Anlagevermögen ist die Finanzierungsfunktion wegen des damit verbundenen langfristigen Finanzbedarfs des Treasury wichtiger als in Branchen mit einem geringen Anlagevermögen, z.B. im Handel oder im Dienstleistungssektor. Bei internationaler Tätigkeit und internationaler Refinanzierung des Geschäfts spielen internationale Finanzierungsgepflogenheiten und die Instrumente der wichtigsten nationalen Finanzmärkte eine große Rolle. Je professioneller der Finanzbedarf gemanagt werden soll, desto wichtiger sind eine entsprechende Aufstellung, (personelle) Ausstattung, Organisation und Richtlinienkompetenz.

 

Das Financial Asset Management beinhaltet die Aufstellung der Anlagestrategie und die Steuerung der Finanzanlagen im Unternehmen außerhalb des (kurzfristigen) Liquiditätsmanagements oder in mit dem Unternehmen verbundenen (Pensions-)Sondervermögen. Dabei geht es um die Auswahl, den Einsatz und die Abwicklung von finanziellen Anlageinstrumenten im Unternehmensinteresse. Im Mittelpunkt stehen:

  • strategische und taktische Asset-Allokation
  • Erstellung und Pflege einer darauf aufbauenden Anlagerichtlinie
  • Vornahme und Auflösung von Geldanlagen im Rahmen der Asset-Allokation
  • Erstellung bzw. Beauftragung von Asset-Liability-Studien für z.B. das Management der Pensionsvermögen
  • Auswahl, Begleitung und Kontrolle externer Asset Manager sowie das evtl. vorhandene Direktinvestment etc.

 

 

Die Vornahme und Auflösung kurzfristiger Geldanlagen für Zwecke der (operativen) Liquiditätssteuerung obliegt der Funktion Cash & Liquidity im Treasury.

 

Gegenstand des Asset Management sind alle Arten von Finanzanlagen einschließlich Immobilien und Finanzbeteiligungen. Bei Immobilien und Finanzbeteiligungen ist das Treasury bei Portfolioentscheidungen für Finanzanlagen beteiligt, muss sich um deren Finanzierung kümmern, die mit den Anlagen verbundenen Zahlungen abwickeln und die mit diesen Anlagen verbundenen Finanzrisiken absichern. Bei Familiengesellschaften kann auch die Verwaltung der Geldanlagen der Gesellschafter zum Asset Management gehören.

 

Wenn durch externe oder interne Regelungen ein Zusammenhang zwischen ausgewählten finanziellen Verbindlichkeiten und Finanzanlagen hergestellt wird, z.B. bei der betrieblichen Altersversorgung, ist von Financial Asset Liability Management (ALM) zu sprechen.

 

Die Bedeutung des Bereichs Asset Management hängt davon ab, ob und in welchem Maß die Unternehmen über anlagefähige Liquidität verfügen und ob und inwieweit es eine unternehmensinterne betriebliche Altersversorgung gibt. Bei der betrieblichen Altersversorgung gehören die finanzwirtschaftlichen Aspekte zu den Aufgaben des Treasury, personalwirtschaftliche Aspekte zum Personalmanagement. Es darf zu keiner Vermischung der Aufgaben kommen, die im jeweils anderen Fachbereich liegen. Soweit es eine unternehmensinterne betriebliche Altersversorgung gibt, wird der finanzielle Teil auch häufig auf spezialisierte Dienstleister ausgelagert, da sich das Vorhalten von eigener Fachkompetenz in Anbetracht des geringen Umfangs der Tätigkeit nicht lohnt. Zwingend verbleibt jedoch die Überwachung der ausgelagerten Funktion in diesem Fall als Treasury-Aufgabe im Unternehmen bestehen. Die inhaltliche und organisatorische Ausprägung dieser Funktion ist in den Unternehmen unterschiedlich.

 

Weitere Einzelheiten zu den Tätigkeiten im Bereich Finanzierung/Financing und Financial Asset Management werden in speziellen Papieren des VDT zu dieser Funktion veröffentlicht.

 

 

Financial Risk Management

 

Das Financial Risk Management befasst sich mit der Identifikation, Quantifizierung, Analyse, Steuerung und Überwachung aller finanzrelevanten Risiken, insbesondere aus Zahlungsströmen und den mit ihnen verbundenen weiteren Finanzaktivitäten (z.B. Fremdwährungs- und Zinsmanagement) aus den operativen Tätigkeiten des Unternehmens.

 

Zum Financial Risk Management gehört der Umgang mit den verschiedenen finanziellen Risiken, die sich aus den Bereichen Cash Management, Finanzierung und finanziellen Vermögenswerten ergeben. Unter finanziellen Risiken werden hier die negativen Auswirkungen auf die Liquidität oder die Ertragskraft des Unternehmens verstanden. Dies sind Liquiditätsrisiken, Währungs-, Zinsänderungs- und Kursrisiken (zusammengefasst als Marktpreisrisiken bezeichnet) sowie Kreditrisiken:

  • Liquiditätsrisiken werden durch Abweichungen bei den geplanten Ein- und Auszahlungen beschrieben.
  • Währungsrisiken resultieren aus Abweichungen der zukünftigen tatsächlichen von den geplanten Wechselkursen aus Transaktionen in Fremdwährungen.
  • Zinsänderungsrisiken resultieren aus Abweichungen zukünftiger Zinssätze von geplanten Zinssätzen.
  • Kursrisiken umfassen die finanziellen Wirkungen möglicher Abweichungen des zukünftigen Wertes von finanziellen Vermögensgegenständen vom aktuellen Wert.
  • Kredit- und Kontrahentenrisiken sind die finanziellen Wirkungen, die sich daraus ergeben, dass Geschäftspartner ihre vereinbarten Leistungen nicht, nicht vollständig oder nicht zu den vereinbarten Terminen erbringen.

 

Der Umgang mit Commodities gehört in den für das Underlying (die jeweilige Ware oder den Rohstoff) zuständigen Unternehmensbereich. Die Beurteilung des Kontrahentenrisikos (Kreditrisikos) aus solchen Transaktionen ist stets Aufgabe des Treasury. Das Treasury hat häufig aus dem Finanzrisikomanagement auch die Fachkompetenz und die Erfahrung im Umgang mit Termingeschäften oder Börsentransaktionen. Sinnvoll erscheint hier eine Abgrenzung der Aufgaben der betrieblichen Funktionen nach Settlement (Erfüllung): Beim finanziellen Settlement passt die Einordnung als Finanztransaktion (zum Treasury), beim physischen Settlement die Zuordnung zum Einkauf oder der Produktion.

 

Hedging ist eine wesentliche Kernfunktion des Financial Risk Management. Es können dabei Währungs-, Zinsänderungs-, Kursrisiken wie auch Kreditrisiken und ggf. auch Commodity-Risiken begrenzt werden. Das Treasury analysiert und steuert die Risikopositionen, schließt risikomindernde Sicherungsgeschäfte (Derivate) ab und wickelt die damit verbundenen Zahlungen ab. Die bilanzielle Behandlung ist in erster Linie Aufgabe des Rechnungswesens. Wegen der einschlägigen Fachkenntnisse ist in der Praxis jedoch das Treasury unter der Funktion Financial Risk Management häufig für das sogenannte Hedge Accounting (die Bilanzierung von Kurssicherungsgeschäften) zuständig (Treasury-„Hilfsfunktion“). Transaktionen ohne passendes Grundgeschäft abzuschließen, ist kein Hedging, sondern Spekulation und gehört nicht zu den Treasury-Aufgaben.

 

Unternehmensrisikomanagement (Enterprise Risk) beschreibt i.d.R. eine umfassende Herangehensweise an Risiken, die über die klassischen, eben beschriebenen finanziellen Risiken hinausgeht. Beispiele hier sind Risiken aus den operativen Funktionen wie Beschaffung oder Produktion, Steuern, Compliance. Enterprise Risk stellt über Geschäftsbereiche hinweg Verknüpfungen unterschiedlicher Risiken her und ermöglicht eine übergeordnete Portfoliosicht auf die Risiken des Unternehmens und deren Steuerung. Das (allgemeine) Unternehmensrisikomanagement liegt nicht im Aufgabenbereich des Treasury, operationelles Risk Management teilweise aber schon, z.B. wenn die operationellen Risiken aus Treasury-Aktivitäten resultieren. Die Zuordnung und Ausgestaltung hängen auch hier von der Unternehmensstruktur und den Tätigkeitsschwerpunkten ab. Finanzielle Risiken aus anderen Unternehmensbereichen und deren Steuerung gehören in jedem Fall zur Treasury-Kernfunktion Financial Risk Management, wie z.B. das Kontrahentenrisiko aus Lieferanten- und Kundenbeziehungen. Die zugehörende Tätigkeit des Treasury kann dann auch die Bonitätsprüfung der Kontrahenten umfassen (für Finanzkontrakte immer).

 

Versicherungen gehören insbesondere dann zu den Aufgaben des Treasury, wenn und soweit Risiken aus dem Finanzbereich versichert werden. Dies betrifft vor allem die Kredit- und Kautionsrisikoversicherung sowie die Warenkreditversicherung. Die Aufgaben im Versicherungsmanagement sind den klassischen Aufgaben des Risikomanagers im Treasury sehr ähnlich. Aufgrund des Einsatzes von Versicherungen zur Minderung und Begrenzung quantifizierbarer Risiken ist es daher sinnvoll, das Management von Versicherungen als Teil der Treasury-Funktion anzusehen. Im Einzelfall hängt die Einbindung in die Treasury-Funktion wesentlich von Art und Umfang der versicherten Risiken im Unternehmen ab.

 

Das Spektrum der versicherten Risiken kann hierbei vielfältig sein: Sach-, Ertrags- und Personenrisiken sowie Kreditrisiken oder projektbezogene Risiken bedrohen ein Unternehmen stets unmittelbar; Produkt- oder Umweltrisiken wirken zunächst auf externe Dritte, können aber im Anschluss negative Folgen für das eigene Unternehmen haben. Das Versicherungsmanagement insgesamt ist dabei eine Optimierungsaufgabe. Insbesondere beschäftigt es sich mit quantifizierbaren Risiken, die sich einer traditionellen Versicherungslösung erschließen, d.h. durch den Abschluss von Versicherungsverträgen auf Dritte transferierbar sind. Dabei ist die Suche nach dem Optimum zwischen Selbsttragung und Transfer unternehmensspezifisch an Art, Umfang, Risiko und Komplexität der Geschäftsaktivitäten des Unternehmens orientiert.

 

Im Sinne einer von allen Unternehmen angestrebten Existenzsicherung ist das Management der möglicherweise existenzbedrohenden Finanzrisiken für alle Arten und Größen von Unternehmen relevant:

  • Je umfangreicher eine grenzüberschreitende Tätigkeit (Einkauf, Verkauf oder Produktion) in anderen Währungsräumen ist, desto wichtiger ist ein Währungsrisikomanagement.
  • Zinsrisiken können per se zwar nicht eliminiert werden (Zinsänderung vs. Barwertänderung), betreffen aber vor allem Unternehmen mit einer hohen langfristigen Kapitalbindung und einem hohen Fremdkapitaleinsatz, insbesondere im Immobilienbereich.
  • Rohstoffrisiken fallen je nach Branche und Art und Umfang der eingesetzten Rohstoffe sehr unterschiedlich aus.

Insbesondere beim Einsatz von Derivaten zur Risikosteuerung sind eine hohe Fachkompetenz und Prozesssicherheit nötig, denn der mit Derivaten verbundene Risikohebel kann besonders schnell große Verluste entstehen lassen. Die Notwendigkeit eines Financial Risk Management kann in Verbindung mit dem Cash & Liquidity Management auch bei kleinen Unternehmen zu einem dedizierten Personaleinsatz führen und markiert häufig den Start zum Aufbau einer Treasury-Organisation.

 

Weitere Einzelheiten zu den Tätigkeiten und Prozessen im Bereich Financial Risk Management werden in separaten VDT-Papieren zu dieser Funktion veröffentlicht.

 

Treasury Framework

 

Über die drei Kernfunktionen hinaus finden sich vom Unternehmen beeinflusste und das Unternehmen beeinflussende Funktionen im Treasury wieder, die nicht zu den Kernfunktionen gehören, aber trotzdem wichtig und umzusetzen sind. Dabei geht es um Rahmenwerke, Verordnungen, Richtlinien und Unternehmensvorgaben aus unterschiedlichen Bereichen, die zu eigenen Treasury-Aktivitäten führen. Das Thema Strategie ist in allen betrieblichen Funktionen und so auch beim Treasury relevant. Treasury-Vorgänge müssen unter Beachtung der Rechnungslegungsvorschriften gebucht werden. Informations-/Analyse-, Berichts-, Dokumentations- und Abwicklungsaktivitäten überlappen sich für die Kernfunktionen. 

 

 

Abbildung 3 Treasury Framework
Abbildung 3 Treasury Framework

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

All dies wird zusammenfassend in die Treasury-Rahmenfunktionen (Treasury Framework) eingebettet. Gemeint sind auch Schnittstellenfunktionen bzw. -aufgaben aus den genannten Bereichen, die nicht zu den Kernaufgaben des Treasury gehören, das Treasury aber tangieren. Ähnliches gilt für die aus den Treasury-Kernfunktionen abgeleiteten Randaktivitäten, deren Bearbeitung für die Erfüllung der Treasury-Kernfunktionen notwendig ist.

 

Bei der detaillierteren Aufgabenbeschreibung werden Schnittstellenfunktionen und -aufgaben und ggf. Regelkreisläufe bedacht.

 

Treasury-Organisation

 

Die Treasury-Organisation übt in Unternehmen eine Support-Funktion im Rahmen der Wertschöpfungskette aus, d.h., die Treasury-Organisation unterstützt die anderen Prozesse der unternehmerischen Wertschöpfungskette, Entwicklung, Einkauf, Produktion und Absatz. In diesem Sinne ist die Treasury-Organisation als Service Center organisiert und handlungsorientiert. Eine fest vorgeschriebene Form für die Treasury-Organisation gibt es nicht. Vielmehr richtet sich die Treasury-Organisation nach der Unternehmensstruktur sowie nach Art, Umfang, Risiko und Komplexität der Geschäftsaktivitäten in den drei Kernfunktionen und sonstigen Aufgabenfeldern. Gleichwohl existieren allgemein anerkannte Grundsätze, die bei der Organisationsgestaltung zu beachten sind.

 

Maßgeblicher Grundsatz für die Gestaltung der Treasury-Organisation ist die klare funktionale und organisatorische Trennung der Bereiche mit geschäftsabschließenden Aufgaben (Front Office) von denen mit Kontroll- und Abwicklungsaufgaben (Back Office) sowie denen mit risikoüberwachenden Aufgaben (Middle Office).[3] Im Besonderen ist ein Vier-Augen-Prinzip für alle Tätigkeiten im Treasury sicherzustellen.

 

Dabei befasst sich das Front Office mit der Verhandlung und dem Abschluss von Finanztransaktionen. Das Middle Office beschäftigt sich zum einen mit strategischen Themen des Treasury, mit der Festlegung der Methoden der Risiko- und Performance-Messung oder komplexen Einzeltransaktionen und zum anderen mit der operativen Überwachung der finanziellen Aktivitäten sowie den zugehörigen Berichts- und Meldesystemen. Das Back Office dokumentiert die Kontrollaktivitäten und deren Ergebnisse, erstellt und überwacht die Verträge, wickelt die im Front Office abgeschlossenen Geschäfte ab, erstellt die notwendigen Berichte und Meldungen, bewahrt die Informationen zu allen Vorgängen auf und kümmert sich um die Zahlungsabwicklung.

 

Eine zentrale Bedeutung für die Treasury-Organisation hat auch der Grad der Zentralisierung von Entscheidungskompetenzen und Aufgabenverantwortung im Treasury einer Unternehmensgruppe. Die Unternehmenspraxis befürwortet weitgehend eine Zentralisierung von Treasury-Funktionen. Wichtig ist auch die Organisation von Schnittstellen zu anderen Unternehmensfunktionen, wie z.B. Rechnungswesen, Steuer, Controlling und Recht, und den betrieblichen Prozessen, wie z.B. Einkauf, Produktion und Vertrieb.

 

Kleine Unternehmen verfügen meist nicht über eine eigenständige Treasury-Organisation. (Große) Unternehmen haben stets eine Treasury-Organisationseinheit, die allerdings nicht immer die Bezeichnung Treasury trägt. Bei sehr großen oder internationalen Konzernen mit vielen Tochtergesellschaften kann die Treasury-Funktion auch ganz oder teilweise auf spezielle Finanzgesellschaften ausgelagert sein. Ein Outsourcing auf Dienstleister kann bei kleineren Firmen generell und bei größeren Firmen partiell sinnvoll sein. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Geschäftsleitung bzw. die Leitung der Treasury-Funktion die Kontrolle über den Bereich nicht verliert.

 

Bei der Personalbemessung ist wichtig, dass die gebotene Funktionstrennung und die notwendigen Vertretungsregelungen klar dargestellt sind und eingehalten werden können. Der Personalbedarf und die Qualifikation des Personals für die Treasury-Funktion richten sich nach dem Umfang und der Komplexität der Aufgabenstellung. In kleinen und mittleren Firmen sind die Funktionen häufig in kleinen Zeitanteilen über mehrere Personen verteilt. Bereits in kleinen Konzernen mit mehreren operativen Tochtergesellschaften kann der Arbeitsumfang eine Vollzeitkraft mit einer Treasury-Ausbildung erforderlich machen. Das kann auch unter Risikoaspekten (Betrugsprävention, Verhinderung von Liquiditätsengpässen und Vermeidung existenzbedrohen Preisrisiken) notwendig und zur Einsparung von Bankkosten und Zinsaufwand sinnvoll sein.

 

 

Treasury & IT

 

In einem dynamischen Umfeld setzt die Treasury-Funktion auch umfassend Informationstechnologie (IT) zur digitalen Abwicklung der meisten Prozesse ein. Der Umfang dieses IT-Einsatzes variiert deutlich in Abhängigkeit von der Größe der Treasury-Funktion und vom Aufgabenumfang. Bei der Implementierung, Entwicklung und Prozessintegration arbeitet die Treasury-Funktion zumeist intensiv mit IT-Abteilungen, Banken und Systemanbietern zusammen. Dazu sind für die jeweilige Aufgabe angemessene IT-Kenntnisse vorteilhaft.

 

Als Kernsystem wird i.d.R. ein spezifisches Treasury Management System (TMS) u.a. für das Cash- und Liquiditätsmanagement sowie das Risikomanagement eingesetzt. Das TMS kann auch Bestandteil eines ERP-Systems (Enterprise Resource Planning, Software für die Führung des gesamten Unternehmens) sein. Die Einführung, der Betrieb und ein (internationaler) Ausbau des TMS sind Kernaufgaben für ein effizientes Treasury. Neben dem TMS mit Schnittstellen zum ERP-System kommen weitere Systeme wie Handels-, Marktdaten- sowie Dokumentations- und Analysesysteme zum Einsatz. Die Systemlandschaft ist in Abhängigkeit von der Geschäftstätigkeit und den Treasury-Aufgaben zumeist unternehmensindividuell gestaltet.

 

Die stetige digitale Optimierung von Finanzprozessen umfasst daher insbesondere die Automatisierung, die Systemintegration und das Schnittstellenmanagement zur Etablierung von (Realtime-)Prozessen und von Finanzinnovationen unter der Nutzung existierender Standards und unter dem Einsatz von (agilem) Projektmanagement. Im Rahmen eines digitalen Change Management wird die kontinuierliche ganzheitliche Umsetzung unter Berücksichtigung aller Ressourcen sowie von IT-Sicherheitsaspekten und Compliance sichergestellt. Die fehlerfreie laufende Funktionsweise der IT-Lösungen und -Prozesse wird im Rahmen eines digitalen Qualitätsmanagements gewährleistet.

 

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der umfassenden Finanzdaten werden diese oft im Rahmen von Business Analytics (Methodik zur Gewinnung neuer Erkenntnisse aus Unternehmensdaten unter Verwendung statistischer und iterativer Methoden) zur Optimierung der wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit verwendet – und zwar insbesondere in den Bereichen automatisierte Optimierung von Liquiditätsprognosen, Risikomanagement, Treasury Reporting, Kosten und Fraud Detection (computergestützte Identifizierung von Risiken für betrügerische Handlungen im Unternehmen). Hier kommt es im Treasury auch zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).

 

Das Treasury wirkt auf die Umsetzung der sich aus den Analysen ergebenden Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen hin. Dabei übernimmt das Treasury die Rolle des finanziellen Geschäftspartners und Beraters für andere Bereiche und somit auch eine zunehmende Verantwortung für das Geschäft selbst. In diesem Kontext wird auch die Entwicklung digitaler Produkte und digitaler Finanzdienstleistungen, z.B. für den Einsatz von Finanzinstrumenten, Finanzierungs-, Abrechnungs- und Zahlungsverkehrslösungen nach Bedarf, zur Unterstützung des Geschäfts vorangetrieben.

[1] Interne Finanzverrechnungskonten werden ähnlich genutzt wie externe Zahlungsverkehrskonten. Insbesondere große Unternehmen bilden dann auf diesen Konten Buchungen innerhalb einer Inhouse-Bank ab.

[2] Beim Kürzel ESG steht „E“ für Environment (Umwelt), „S“ für Social und „G“ für Governance; damit ist eine verantwortungsbewusste, nachhaltige und an Klimazielen orientierte Unternehmensführung gemeint.

[3] Sollten Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten eines (kleineren) Unternehmens die aufbauorganisatorische Trennung von Front, Middle und Back Office im Treasury im Einzelfall nicht rechtfertigen, so ist zumindest (von kleineren Unternehmen) sicherzustellen, dass Mitarbeiter mit geschäftsabschließenden Aufgaben keine kontrollierenden bzw. risikoüberwachenden Funktionen verantworten.