Wirtschaftliche Lage und nachhaltige Transformation fordern Treasury heraus
Anfang Oktober hat die VDT-Fachtagung „Treasury 2024 – Zinssenkungen und weitreichende ESG-Reportingauflagen voraus“ stattgefunden. Das Fazit: Die Herausforderungen für Treasurer bleiben in diesen Zeiten hoch.
Die Ressorts Equity & Debt, Risk und Asset Management des Verbands Deutscher Treasurer hatten am 9. Oktober 2024 zur gemeinsamen Fachtagung eingeladen. Unter dem Titel „Treasury 2024 – Zinssenkungen und weitreichende ESG-Reportingauflagen voraus“ konnten sich gut 100 Teilnehmer auf einen interessanten Tag in den Räumlichkeiten der Commerzbank in Frankfurt am Main freuen.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Dr. Mark Richard, Head of MNC FX & Rates Sales, Germany, Austria, Switzerland & Nordics der Commerzbank AG, startete die Veranstaltung mit einem volkswirtschaftlichen Ausblick von Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG. China wachse aufgrund der Immobilienkrise für die nächsten Jahre unter seinen Möglichkeiten, wohingegen die USA auf den alten Wachstumspfad zurückgekehrt seien. Eine Rezession sei dort unwahrscheinlich. Mit Blick in die nahe Zukunft sagte Dr. Krämer: „Die US-Wahl ist noch völlig offen, das Unsicherheitspotential groß.“ Aber die Unterschiede zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Kamala Harris seien weniger groß als gemeinhin unterstellt. Mit Blick auf Deutschland betonte der Chefvolkswirt der Commerzbank, dass die Bundesrepublik nicht mit dem Euro-Raum verwechselt werden sollte. „Der Blick auf Deutschland macht zu pessimistisch.“
Inflation und Zinsen werden Treasurer weiter beschäftigen
Allerdings werden sich die deutschen Treasurer auch weiterhin mit den Themen Inflation und Zinsen beschäftigen müssen. Einige der anwesenden Treasurer haben bereits reagiert und ihr Refinanzierungsverhalten seit dem Zinsanstieg verändert, wie eine Umfrage, während der VDT-Fachtagung ergab. Auch künftig werden die Treasurer die mit der Inflation und der Zinsentwicklung verbundenen Risiken engmaschig kontrollieren müssen. Denn: „Die Euro-Inflation ist zwar in den vergangenen Monaten deutlich gefallen, aber das ,Biest‘ ist noch nicht erlegt“, sagte Dr. Krämer weiter. Mit weiteren Zinssenkungen sei zu rechnen.
Positiver für die Credit-Entwicklung deutscher Corporates gestimmt war Tobias Mock, Managing Director und Country Head Germany bei S&P Global Ratings Europe Limited. Im Hinblick auf die Unternehmensratings habe es in diesem Jahr mehr Upgrades als Downgrades gegeben, sagte Mock. „Von den Ausblicken her erwarten wir, dass die Kreditqualität stabil bleibt.“ Aber es gibt dennoch einen Wehrmutstropfen: „Die Ausfallraten und die Volatilität bleiben weiterhin hoch.“ Die Unternehmen müssten sich entschulden und dadurch ihre Kreditqualität stärken, um auf ein generell weiter schwaches Umfeld vorbereitet zu sein. Auch hier ist seit dem Corona-Ausbruch und dem starken Zinsanstieg im Jahr 2022 viel passiert.
Der folgende Block der Tagesagenda beschäftigte sich dann mit den Auswirkungen der Zinsentwicklungen auf die Asset- und Liabilityseiten von Unternehmen. Dieter Schlunek, Leiter Konzern-Finanzwesen bei der TÜV SÜD AG sowie Vorstand bei TÜV SÜD Pension Trust e.V. legte dar, welche Faktoren die Pensionsverpflichtungen eines Unternehmens beeinflussen und wie die TÜV SÜD AG in den vergangenen Jahren diese Bilanzposition ausfinanziert hat. „Wir hatten im vergangenen Jahr beim De-Risking aus heutiger Sicht genau das richtige Händchen, um die Zinsen einzuloggen.“
Die Liabilityseite wurde im Anschluss von Kai Gloystein, Vice President Corporate Finance & Treasury bei der Knorr-Bremse AG beleuchtet, der über die Ende September erfolgreich abgeschlossene zweitranchige Bondemission über 1,1 Milliarden Euro des Unternehmens berichtete. Knorr-Bremse hat sich eigenen Angaben zufolge bewusst für eine konventionelle und eine grüne Anleihe entschieden, um eine breite Investorengruppe anzusprechen und den weiteren Ausbau von ESG-Finanzierungen voranzutreiben. Aber auch hier habe man sich aus Vorsichtsgründen entschieden, die Transaktion deutlich vor der US-Wahl durchzuführen, um etwaigen Marktverwerfungen zu entgehen, berichtete Gloystein.
CSRD wirft ihren Schatten voraus
Der Nachmittag stand ganz im Sinne der nachhaltigen Transformation der deutschen Wirtschaft. In Europa ist der EU-Regulierungsrahmen für sogenannte Transitionspläne – also zeitgebundene Aktionspläne der Wirtschaft – bereits gesetzt. Diese Pläne legen dar, wie die Organisationen ihr (Finanz-)Wirtschaften anpassen, um die nachhaltige Transformation zu schaffen. Auch international stimme sich die europäische Bankenaufsicht ab, sagte Cornelia Holthausen, Director General Macroprudential Policy and Financial Stability bei der Europäischen Zentralbank. „Wir tauschen uns beispielsweise mit Behörden und Institutionen in anderen Ländern aus, um Richtlinien und Ansprüche möglichst anzugleichen.“ Allerdings sei die internationale Abstimmung sehr herausfordernd.
In Europa wirft die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ihre Schatten voraus. Die EU-Richtlinie ändert den Umfang und die Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen tiefgreifend und ist ab Januar 2025 für alle bilanzrechtlich großen Unternehmen verpflichtend. Schon jetzt haben börsennotierte Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass die Qualität der Nachhaltigkeitsberichte bislang noch stark schwankt.
Das beobachtet auch Wiebke Merbeth, Partnerin bei der Strategieberatung von Deloitte und Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der deutschen Bundesregierung. „Unternehmen gehen das Thema Nachhaltigkeit unterschiedlich an. Insbesondere im Hinblick auf die CSRD sind die Corporates unterschiedlich weit in der Vorbereitung“, sagte Merbeth auf der VDT-Fachtagung. „Das Bewusstsein in den Unternehmen für die Internalisierung von Klimakosten und die Transparenzfragen in der Lieferkette ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber genau dort muss der Fokus liegen – ob mit oder ohne CSRD-Pflicht.“ Im Hinblick auf das Thema Greenwashing erläutert Merbeth: „Statt Greenwashing-Risiken zu adressieren, werden Nachhaltigkeitsstrategien zukünftig dem Timewashing-Vorwurf Stand halten müssen.“
Hoher Leidensdruck bei ESG-Fragebögen erwartet
Auch das Thema ESG-Fragebögen drückt manch einem aufs Gemüt, da ein so großer Aufwand wie beim Thema KYC befürchtet wird. Joachim Erdle, seit Jahresanfang Unternehmenskundenvorstand bei der LBBW, versuchte zu beruhigen: „Ähnlich wie das Thema KYC oder die Offenlegung nach §18 KWG werden die ESG-Fragebögen in nicht allzu ferner Zukunft zum normalen Alltag gehören.“ Eine Vereinheitlichung der Fragebögen unter den Banken sollte hierfür angestrebt werden, sagte Erdle weiter. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits im vergangenen Sommer gegangen worden. Anfang Juli dieses Jahres veröffentlichten die Verbände der privaten und öffentlichen Banken sowie der Versicherungswirtschaft einen gemeinsamen ESG-Datenkatalog für Großunternehmen.
Der Autohersteller BMW hat bereits bei der Erneuerung seiner syndizierten Kreditlinie 2023 den ESG-Fragenbogenprozess zwischen Banken und Unternehmen proaktiv eingeführt. „Nachhaltigkeit ist der Kern unserer Unternehmensstrategie. Wir verfolgen einen holistischen Ansatz, der von der Lieferkette über die Produktion bis hin zur Wiederverwertung unserer Fahrzeuge reicht“, sagte Fredrik Altmann, der bei der BMW Group die Konzernfinanzierung und das globale Treasury Center Netzwerk steuert. Das Unternehmen setze sich dabei klare Ziele und kommuniziere transparent. „Wir berichten zu unseren ESG-Zielen auf unserer Unternehmenswebsite. Dort ist eine öffentlich zugängliche KPI- und Berichtsstruktur zu finden. Für Banken und Investoren sind dort die benötigten Informationen immer auf dem neuesten Stand verfügbar.“ Seither verzichte die BMW Group auf die Beantwortung einzelner ESG-Fragebögen von Banken. Das Unternehmen nimmt laut Altmann allerdings weiterhin zu ESG-Fragen Stellung, die über die Informationen auf der Website hinausgehen.
Treasurer sollten ESG-KPIs wie Financial Covenants behandeln
Den Abschluss des Tages bildete das Thema „ESG-linked Loans als Finanzierungsalternative für Unternehmen“. Hierzu gaben Frank Wächter, Vice President Treasury & Insurance bei der PUMA SE, und Oliver Dreher, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Dentons Europe (Germany) GmbH & Co. KG, Einblicke aus rechtlicher Sicht und in die praktische Umsetzung bei PUMA. „Nachhaltige Finanzierungen bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten“, sagte Wächter. Bei dem Sportartikelhersteller stammte bereits Ende 2023 mit mehr als 1,5 Milliarden Euro 83 Prozent des gesamten Finanzierungsvolumens aus nachhaltigen Finanzierungen. Allerdings „lebten“ grüne Finanzierungen davon, dass langfristige und in der Gesamt-Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens verankerte Ziele definiert und ein „sauberes“, extern validiertes Reporting aufgesetzt ist, betonte Puma-Treasury-Chef Wächter.
Der VDT dankt allen Referentinnen und Referenten für ihre Unterstützung, die Einblicke und offenen Diskussionen.