Mit staatlicher Hilfe fremde Märkte entdecken
Neue, unbekannte Märkte sind nicht einfach zu erschließen. Zwei Bundesprogramme können Unternehmen bei ihren Wachstumsinvestitionen in noch fremde Märkte unterstützen. Hier sind die Details.
Zahlreiche deutsche Unternehmen sind im Ausland aktiv. Um weiter wachsen zu können, erschließen viele auch neue geographische Märkte. Zum Jahresende 2022 betrug beispielsweise der Bestand der deutschen Direktinvestitionen laut der Deutschen Bundesbank weltweit über 1.500 Milliarden Euro.
Investitionen in neue Märkte können aber riskant und sehr komplex, Finanzierungen schwierig sein. Dass dürften Gründe dafür sein, warum deutsche Unternehmen bislang nur wenig in Wachstumsmärkte in Afrika, Asien sowie Zentral- und Südamerika investieren. 2022 lagen die deutschen Auslandsengagements in afrikanische Länder unter 1 Prozent, diejenigen in Zentral- und Südamerika betrugen etwa 4 Prozent.
Um deutsche Unternehmen bei ihrem Gang in neue Märkte zu unterstützen, fördert die Bundesregierung sie mit zwei Bundesprogrammen – ImpactConnect und Investitionsgarantien. Der Verband Deutscher Treasurer (VDT) hat mit den beiden Programmleitern Jan Müller von der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft und Michael Huber-Saffer, Partner bei PwC, über die Details der beiden Förderprogramme gesprochen.
Herr Müller, welche Vorhaben können Unternehmen über das Programm ImpactConnect finanzieren?
Mit dem Programm ImpactConnect schließen wir eine Finanzierungslücke, die es bisher am Markt gab. Wir finanzieren privatwirtschaftliche Investitionsvorhaben mit einem Volumen zwischen 750.000 und 5 Millionen Euro.
Welche Investitionen werden denn genau gefördert?
Die Investition muss einen entwicklungspolitischen Mehrwert schaffen und in einem der 65 Zielländer erfolgen.
Gibt es Vorgaben für die Mittelverwendung?
Da sind wir flexibel. Wir bevorzugen es zwar, Capex, also harte Assets, zu finanzieren, da wir die Entstehung von etwas Neuem unterstützen möchten. Aber wir können teilweise auch Working-Capital-Finanzierungen stemmen, wenn das für Unternehmen interessant ist.
Sie hatten zuvor 65 Zielländer genannt. In welchen Ländern können deutsche Unternehmen das Programm nutzen?
Wir sind vor fast sechs Jahren mit dem Programm AfricaConnect gestartet. Damals waren wir auf den afrikanischen Kontinent beschränkt. ImpactConnect ist nun die globale Weiterentwicklung von AfricaConnect. Seit Anfang 2024 können wir international in unseren Partnerländern aktiv sein. Darunter viele sehr dynamisch wachsende Entwicklungs- und Schwellenländer, zum Beispiel Indien, Brasilien, viele Länder in Afrika und in Südostasien wie Indonesien und Vietnam.
Kann sich im Zuge der Neuwahlen im Februar dieses Jahres etwas an dem Programm ändern?
Es kann immer passieren, dass es Anpassungen in dem Programm gibt, beispielsweise im Hinblick auf Branchen und Länder. Nach der letzten Bundestagswahl gab es einen stärkeren Fokus auf die Themen Transformation und Klima. Wir wollen den Unternehmen nutzen und sind deshalb nachfrage- und nicht angebotsgetrieben.
Welche Voraussetzungen müssen die Unternehmen erfüllen, um das Programm in Anspruch nehmen zu können?
Wir haben keine harten Kriterien für Bestandsdauer oder Unternehmensgröße. Aber das Unternehmen darf kein Start-up sein. Es sollte eine langjährige, idealerweise internationale Historie haben und langfristig erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Mit unserer Finanzierungszusage gehen wir ein hohes Risiko ein, da wir die Tochtergesellschaften ohne Garantie und ohne Sicherheiten der Mutter finanzieren. Wir müssen uns auf die Bereitschaft der Unternehmen verlassen können, dass sie ihre Töchter unterstützen.
Stichwort Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG?
Wir legen die Standards der Weltbank (IFC Performance Standards) zu Umwelt- und Sozialrisiken zugrunde. Die Unternehmen wissen das sehr zu schätzen, dass wir uns das so genau anschauen, da wir damit Reputationsrisiken von den Unternehmen abhalten.
Wie sieht der typische Nutzer dieses Förderprogramms aus?
Unser typischer Kunde sind etablierte deutsche Familienunternehmen, die bereits in Entwicklungs- und Schwellenländern aktiv sind und eine Erweiterung ihrer Produktion planen. Wir (ko-)finanzieren bei diesen Unternehmen aber auch Greenfield-Investitionen, also einen Markteintritt – ganz ohne Sicherheiten!
Wie viele Unternehmen haben das Programm bereits genutzt?
Bislang haben wir 77 verschiedene Finanzierungen in 20 Länder mit vielen namhaften deutschen Unternehmen umgesetzt.[1] Da wir aber erst seit einem Jahr international agieren liegt ein großer Anteil davon in Afrika. Aktuell sehen wir eine starke Nachfrage nach Ländern wie Brasilien, Indien, Vietnam und der Ukraine.
Werden im Rahmen des Programms denn viele Investitionen in der Ukraine unterstützt?
Zuletzt haben wir im Zuge der internationalen Erweiterung verstärkt Investitionen deutscher Unternehmen in der Ukraine finanziert und hier über einen kombinierten Einsatz mit den Investitionsgarantien auch die Kriegsrisiken übernommen. Das wird sehr gut angenommen.
Mit Blick auf die Konditionen: Gibt es für Unternehmen die Möglichkeit, Zinsvergünstigungen zu erhalten?
Die Darlehen werden grundsätzlich zu sehr attraktiven Konditionen vergeben, strukturell, aber auch mit Blick auf den Zinssatz. Der Name ist hier Programm. Je besser der „Impact“, desto niedriger die Marge. Hier haben wir vier besonders entwicklungsrelevante Handlungsfelder definiert – bessere Arbeitsplätze, wirtschaftliche Stärkung von Frauen, faire und umweltbewusste Lieferketten und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. In diesen Kategorien gibt es klare Kennzahlen. Wenn Unternehmen diese erfüllen, kann das mit Zinsvergünstigungen von bis zu 150 Basispunkten einhergehen.
Wie sieht der Antragsprozess aus?
Es gibt keinen formalen Antragsprozess, sondern ein iteratives Gespräch. Das Angebot steht immer offen. Zu Beginn steht aber das Übersenden des Jahresabschlusses und der Investitionspläne. Auf dieser Basis sind wir sehr schnell in der Lage eine Kreditzusage zu geben oder eben nicht. Im Falle einer positiven Indikation ist der gesamte Kreditprozess in der Regel nach drei bis vier Monaten abgeschlossen.
ImpactConnect: Das Wichtigste auf einen Blick
- Darlehen in folgenden Zielländern: alle 65 BMZ-Partnerländer, außer China
- Darlehen in allen Zielländern in Euro, US-Dollar und vielen Lokalwährungen
- Laufzeiten von 3 bis 7 Jahren, bedarfsgerechte Tilgungsfreijahre
- Darlehenssumme von 750.000 Euro bis 5 Millionen Euro (in der Regel unbesichert)
- Attraktive Konditionen mit Zinsreduktionen für Vorhaben mit besonders transformativem Impact
- Direkte Auszahlung an die Tochtergesellschaft im Zielland (ohne Einbindung der deutschen Hausbank)
- Risikoadäquater Eigenmittelbeitrag von 20 Prozent bis 50 Prozent – bereits eingebrachte Eigenmittel können angerechnet werden
- Unterstützung bei der Umsetzung internationaler Umwelt- und Sozialstandards
- Zugang zum DEG-Netzwerk und vielfältiger Expertise in Entwicklungs- und Schwellenländern aus mehr als 60 Jahren Erfahrung
Herr Huber-Saffer, daneben gibt es noch die Investitionsgarantien des Bundes. Wann können Unternehmen diese Garantien nutzen?
Es gibt eine Risikokategorie, die wir als Unternehmen nicht wirklich beeinflussen können – das sind politische Risiken. Dazu zählen Enteignung, Krieg, Aufruhr, Zahlungsprobleme oder der Bruch staatlicher Zusagen. Mit den Investitionsgarantien des Bundes bekommen deutsche Investoren diplomatischen Geleitschutz für ihre Auslandsprojekte, um Probleme mit staatlichen Stellen im Gastland zu lösen, bevor ein Schaden eintritt. Hierbei ist die Bundesregierung sehr erfolgreich. Sollte der Schaden trotz diplomatischer Intervention nicht zu vermeiden sein, erhalten die Unternehmen vom Bund eine Entschädigung für den Verlust ihres Investments. Dies macht politische Risiken auch in herausfordernden Märkten beherrschbar und langfristige Investitionsprojekte oftmals erst realisierbar.
Wie sehen die konkreten Konditionen aus?
Für absicherungsfähige Investitionen – das sind üblicherweise Beteiligungen an ausländischen Töchtern oder gewährte Gesellschafterdarlehen – bestehen keine betragsmäßigen Ober- oder Untergrenzen. Anträge sind bis zu einer Höhe von 5 Millionen Euro gebührenfrei, für größere Investitionen ist eine einmalige Antragsgebühr zu entrichten. Nach Garantieübernahme fällt ein jährliches Entgelt in Höhe von grundsätzlich 0,5 Prozent des abgesicherten Kapitals sowie der gegebenenfalls abgesicherten Erträge an. Die Garantielaufzeit beträgt in der Regel 15 Jahre. Eine Verlängerung ist möglich. Der Selbstbehalt im Schadensfall beträgt im Regelfall 5 Prozent.
Gibt es auch bei diesem Programm in bestimmten Fällen vergünstigte Konditionen?
Ja, die Bundesregierung bietet seit Mitte Oktober 2023 im Rahmen einer Diversifizierungsstrategie vergünstigte Konditionen für die Übernahme von Investitionsgarantien in 35 ausgewählten Chancenmärkten. Zu den Anreizen gehören ein Erlass der Antragsgebühr, ein reduzierter Selbstbehalt im Schadensfall (2,5 Prozent statt 5 Prozent) und ein um 10 Prozent ermäßigtes Garantieentgelt (für Länder der OECD – Länderrisikokategorie 1–5). Zusätzlich können seit November 2023 besonders klimafreundliche Projekte ebenfalls von verbesserten Deckungskonditionen profitieren. Das sind zum Beispiel reduziertes Entgelt, verminderter Selbstbehalt und längere Garantielaufzeit. Dies setzt spezifische Anreize und macht die Absicherung von Investitionen in diesen Fällen besonders attraktiv.
Wie viele Unternehmen nutzen die Investitionsgarantien bereits?
Etwa 300 deutsche Unternehmen sichern ihre Auslandsvorhaben regelmäßig mit Investitionsgarantien gegen politische Risiken ab. Manche von ihnen haben die Garantien bereits verbindlich in ihre internen Risikomanagementsysteme integriert.
Welche Art von Unternehmen ist das? Und welche Unternehmen können die Investitionsgarantien beantragen?
Mit Investitionsgarantien begleiten wir Auslandsvorhaben deutscher Unternehmen aus nahezu allen Branchen und allen Unternehmensgrößen. Im vergangenen Jahr waren über die Hälfte der Nutzer KMU. Jede zweite Garantie ist dabei im Jahr 2024 an ein Unternehmen vergeben worden, das Investitionsgarantien zum ersten Mal einsetzt. Dies zeigt, dass deutsche Unternehmen – gerade auch KMU – weiterhin in erheblichem Umfang international investieren. Und dies zeigt auch, dass die geopolitische Landkarte zunehmend bedrohlicher geworden ist, so dass Instrumente zur Risikoabsicherung weiter an Bedeutung gewinnen.
Da kommt einem direkt der Ukraine-Krieg und der Nahost-Konflikt in den Kopf. Herr Müller hatte zuvor bereits erwähnt, dass Unternehmen beide Bundesprogramme in der Ukraine kombiniert nutzen.
Ja, im Februar 2022 hat die Bundesregierung entschieden, die Investitionsgarantien für die Ukraine aufrecht zu erhalten – einschließlich der Absicherung von Kriegsrisiken. Seitdem wurden etwa 40 Garantien für deutsche Investitionen in der Ukraine übernommen. Zahlreiche weitere Anträge sind derzeit in Bearbeitung. Deutsche Unternehmen sind also auch unter den aktuell schwierigen Rahmenbedingungen bereit, in erheblichem Umfang in der Ukraine zu investieren – sofern eine Absicherung gegen Kriegsrisiken verfügbar ist. Insgesamt bietet die Bundesregierung Investitionsgarantien in deutlich über 100 Ländern der Welt an.
Wir haben gerade schon über die geopolitische Landkarte gesprochen. Haben sich die Zielländer des Programms denn in den vergangenen Jahren geändert?
Schwerpunkt der Investitionsgarantien sind auch weiterhin Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländer. Aber wir sprechen seit langer Zeit nun auch wieder über Länder wie Südkorea und über Projekte, die in den baltischen Staaten stattfinden. Das ist ein deutlicher Spiegel der veränderten geopolitischen Bedrohungslage.
Herr Müller und Herr Huber-Saffer vielen Dank für das Gespräch.
Die Interviewpartner:
Jan Müller ist Diplom-Volkswirt und arbeitet bei der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Nach diversen Positionen in der Strategie-, Politik- und Finanzierungsabteilung leitet er das Programm ImpactConnect. Das von der DEG realisierte Förderprogramm gehört zum „Partners in Transformation“-Angebot des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Michael Huber-Saffer ist Partner bei PwC und seit 2001 in verschiedenen Rollen der Außenwirtschaftsförderung des Bundes tätig. Seit 2014 leitet er den Bereich Investitionsgarantien des Bundes. PwC unterstützt dabei im Auftrag der Bundesregierung deutsche Investoren und finanzierende Banken bei der Risikoabsicherung von Auslandsinvestitionen, die damit in oft schwierigem Umfeld erst ermöglicht werden.
Die Fragen stellte das Ressort Equity & Debt.
[1] https://www.deginvest.de/Unsere-Lösungen/ImpactConnect/ImpactConnect-Zusagen.html