„Über Produktionsstätten in China sind deutsche Unternehmen verstärkt von US-Zöllen beeinflusst“

Die US-Zollpolitik sorgt für erhebliche Kursschwankungen weltweit und enorme Unsicherheit. Deutsche Treasury-Abteilungen spüren bereits erste Auswirkungen. Der VDT hat bei Christiane von Berg, Head of Economic Research BeNeLux & DACH bei Coface, nach einer Einschätzung gefragt, wie es für die Unternehmen hierzulande kurzfristig weiter gehen wird.

 

Welche Auswirkungen wird die jüngste Zollrunde Ihrer Meinung nach auf deutsche Unternehmen haben?

Grundsätzlich haben die Zollrunden negative Effekte auf deutsche Unternehmen. Für die deutsche Gesamtwirtschaft gilt: 9 Prozent aller Güterexporte gehen in die USA, dies entspricht umgerechnet 3,8 Prozent am deutschen BIP. Bisher (heißt vor dem 20. Januar 2025) lag der handelsgewichtete effektive Zoll bei 1,44 Prozent, es folgten Zölle auf Stahl und Aluminium (25%), Autos und Autoteile (25%) sowie die reziproken Zölle (10%), die aber künftig auch auf 20 Prozent steigen könnten. Damit liegt der effektive handelsgewichtete Zoll bei 12 Prozent und könnte auf bis zu 18 Prozent anziehen. Der Grund, warum es nicht mehr ist, liegt an den bisherigen Ausnahmen von den reziproken Zöllen. Dazu gehören Pharmazeutika und medizinische Produkte, sowie Mineralien, Halbleiter, Kupfer usw.

 

Welche Branchen sind besonders betroffen?
Mit Blick auf die Höhe der Zölle sind definitiv Metall und Automotive die Branchen, die am stärksten belastet sind, aber auch der Maschinenbau ist dabei. Die Metallindustrie exportiert 6 Prozent ihrer Gesamtausfuhren in die USA, was immerhin 2,1 Prozent ihres Gesamtumsatzes ausmacht. Die Automotive-Branche ist noch stärker belastet. 14 Prozent der Gesamtautomobilexporte gehen in die USA bzw. 11 Prozent bei den Autoteilen. Zusammengenommen macht dies 5 Prozent der Umsätze der Automotive-Branche aus. Im Maschinenbau gehen 13 Prozent aller Exporte in die USA, was 6 Prozent der Umsätze der Branche ausmacht. Eine der wenigen Branchen, die noch abhängiger sind von den USA, ist die Pharmabranche (23% aller Exporte gehen an die USA). Diese sind aber bisher von den reziproken Zöllen ausgenommen. Wichtig ist auch zu beachten, dass hier nur die direkten Verbindungen genannt sind, über Produktionsstätten in China sind deutsche Unternehmen ebenfalls verstärkt von den Zöllen in die USA beeinflusst.

 

Sehen Sie mögliche sekundäre Auswirkungen der Einführung von Zöllen zum Beispiel im Hinblick auf Inflation, Rohstoffe, FX etc.?

Ja, durchaus. Im Bereich der Inflation deutet sich an, dass wenig überraschend die Konsumentenpreise für die Bevölkerung in den USA erheblich ansteigen dürften. Dies sollte die Kaufkraft verringern, die Nachfrage kappen und darüber zu einer Rezession führen. Bei Coface gehen wir davon aus, dass die Fed zwar ihre Zinsen senkt, aber deutlich weniger (nur zwei Mal in diesem Jahr) als vormals erwartet, da sie das Ziel der Preisstabilität stärker schützt als das des stabilen Arbeitsmarktes (über ein moderates Wirtschaftswachstum). Normalerweise sollte dies den US-Dollar stärken, aber der Vertrauensverlust in die US-Wirtschaft ist hoch genug, dass die Leute eher US-Papiere verkauft haben als erste Reaktion auf den Handelskrieg und China hat als Gegenmaßnahme anscheinend einen Teil seiner US-Staatsanleihen verkauft und somit die Zinsen nach oben gedrückt.

 

Was bedeutet das für Deutschland?

In Deutschland wiederum rechnen wir künftig mit einer etwas niedrigeren Inflation und gleichzeitig etwas schwächerem Wachstum, was sich auch in den Finanzmärkten zeigen wird. Die niedrigere Inflation kommt darüber zu Stande, dass wohl China weniger in die USA exportieren wird und stattdessen mehr auf den europäischen Markt drängt (die produzierten Überkapazitäten muss ja jemand abkaufen). Dies sollte für die Bevölkerung, weniger für die konkurrierenden heimischen Unternehmen, gut sein. Aber die Unsicherheit ist mit der Eskalation des Handelskonfliktes so gestiegen und die Märkte derart abgestürzt, dass die Konsumlaune wohl auf dem aktuell niedrigen Niveau bleiben wird und eher gespart wird.

 

Sehen Sie mögliche sekundäre Auswirkungen der Einführung von Zöllen auf die Lieferkette von Unternehmen?

Ja, das sehen wir. Es ist aber bisher schwer abzusehen, wie sich diese genau ändern werden. Das liegt auch an der Schnelligkeit der Entscheidungen in den USA. Lieferketten und speziell Produktionsstätten brauchen eine längere Zeit, bis sie sich an die neuen Gegebenheiten angepasst haben. Wenn Präsident Trump sich innerhalb einer Woche mehrfach umentscheidet, hilft dies nicht bei einem Planungsprozess.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Frau von Berg.

 

Stand der Einschätzung: 10.04.2025, 17:00 Uhr